SIGRID FRIEDMANN:
In ihrer Serie „Fruchtkörper“ setzt sich Sigrid Friedmann mit dem (barocken) Stillleben auseinander, transformiert es technisch in unsere Zeit und interpretiert es auf persönliche und sinnliche Weise neu.
Haben die Maler früherer Jahrhunderte Früchte und Gemüse arrangiert, um sie dann mittels Pinsel und Farben auf der Leinwand abzubilden, so werden bei Friedmann Obst und Gemüse selbst zu Pinsel und Farben. In einem ersten Schritt werden die Früchte – stilllebenartig – auf die Scannerplatte arrangiert. Der technisch kühle und scheinbar objektive Scanvorgang wird für die Künstlerin dann zu einem sinnlichen, intuitiven Prozess: in völliger Dunkelheit (um einen schwarzen Bildhintergrund zu erhalten) legt Friedmann ihre Hände auf die Früchte und bewegt sie während des Scannens, „malt“ mit ihnen ein zu diesem Zeitpunkt unsichtbares Bild (das Ergebnis sieht sie jeweils erst im Nachhinein). Durch diesen Vorgang verleiht sie dem dabei entstandenen Abbild der Früchte neue Formen und Strukturen. Das ursprünglich Abzubildende wird zum Abbildenden, zum Ausgangspunkt für etwas Neues (in dieser Hinsicht könnte man sich an Arcimboldo erinnert fühlen).
Der Vanitas-Gedanke, der in barocken Stillleben stets mitschwang, wird hier weiter gesponnen: aus den verrottenden Früchten erwachsen – im Bild – neue (Ausdrucks)Formen, genau so wie auch in der Natur die alte Frucht Humus und Samen für die neue Frucht bereitet – denn jedem Ende wohnt ein Anfang inne. In der wörtlichen „Photo-Synthese“ zwischen dem Gemüse, Friedmanns Bewegungen und dem Scanner werden die – teils schon verfaulenden – Früchte zu einem neuen, anderen Leben erweckt. Ihrer ursprünglichen Bedeutung enthoben, entfalten sie ein dynamisches Eigenleben, werden sie zu neuen, bisher unbekannten, originären (Frucht)körpern.
Und doch erzählen die Fotos vom Vergehen, von zeitlichen Abläufen und ihrer Unwiederholbarkeit: Durch das Scan-Verfahren wird ein ephemerer, bewegter Prozess festgehalten. Gebannt in ein Standbild entsteht der Eindruck, eine eigenständigen Lebensform vor sich zu haben, die jedoch ausschließlich im Moment ihrer Entstehung existierte und weder greif- noch wiederholbar ist. Entstehen und Vergehen im Sekundentakt.
Text von Clara Kaufmann
ALEXANDRA KROMUS:
Worte haben mich zu diesen Bildern inspiriert. Die Bilder der drei Königinnen sprechen von Armut, Abfall und Überfluss. Hier Bilder dort Worte.
Riesige Landstriche in Äthiopien sind von Dürre betroffen. Dutzende Elefanten verhungern auf Grund von Dürre in Zimbabwe. Textilindustrie vergiftet Flüsse und Trinkwasser. Zehntausende tote Trottellummen angeschwemmt. Ölpest in Brasilien – Indigene protestieren. Jeder 3. Mensch hat keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser. Eis zu dünn für Robbenjagd. Eisbären wagten sich in Dorf. 15 Journalisten wegen Umwelt Artikel getötet. Australien legt sich auf keinerlei Einschränkungen bei CO2 Ausstoss fest. Waldbrände in Brasilien. Medikamente im Abwasser. Mikroplastik. Mikrostrudel. Pyroplastik. Müllhalden. Brände im Amazonas Regenwald von Viehzüchtern absichtlich gelegt. 2015 – 2019 die heisseste Fünfjahresperiode seit 150 Jahren. Pizol Gletscher verliert 90 Prozent seines Volumens. Schiffe kippen Plastikmüll illegal ins Meer. Treibhausgas – Emissionen. Emissionshandel. CO2 Äquivalenten. Recyklingquoten. Materieller Wohlstand geht zulasten der Umwelt. Hitze. Dürre. Stürme. China weigert sich Müll aus westlichen Ländern zu importieren. Indonesien kündigt ebenfalls Einschränkungen an. Durch die Müllberge verschwinden Reisfelder und die giftigen Chemikalien landen in der Nahrungskette. Eier aus Indonesiens Plastikabfallhotspots enthalten alarmierende Konzentrationen von Dioxinen, Perfluoroctansulfonsäure und anderen verbotenen Chemikalien. Große Tiere schlucken Unmengen an Plastik. Kleine Mikroplastikteile sind problematisch für Mantarochen und Walhaie. An der Südseite der Alpen sind innerhalb kürzester Zeit Unmengen an Schnee und Regen niedergegangen. Mehr als 10.000 Kinder schürfen in Madagaskar nach Glimmer für Autoindustrie, Kosmetikindustrie und Elektroindustrie. Die Kinder leiden unter Rückenschmerzen, Verletzungen, Kopfschmerzen und Lungenerkrankungen. Gesundheitsgefährdung durch Staub. Lichtverschmutzung ist Beschleuniger für Insektenschwund. Gletscher schmelzen. Almen sterben. Berge brechen auseinander. Textilfabrik eingestürzt. Sandstrahl Verfahren bei Jeans lässt Arbeiter an Staublunge erkranken.
Text von Alexandra Kromus