"THE - RE - INK - PAPERS"
"№ 1 Fucksimile"
von Christoph Mayer und Olaf Sailer
Vernissage der Ausstellung am 21.04.2016, um 18.30
Finissage der Ausstellung am 02.06.2016, um 18.30
Ausstellungsdauer 22.04.2016 - 03.06.2016
Falls alles Kopie, sind individuelle Mythen immerhin lausig einverleibte Faksimiles. Der selbstarrangierte, meist selbstvergessen komprimierte Abklatsch dessen, was vormals gefühlt, gedacht, gelitten, wie gefuhrwerkt, wie gestritten, was am eigenen Leib erfahren und allzu verfahren wurde. Was vom Erleben in Erinnerung bleibt, womöglich erhalten bleiben soll, wird flugs vergärt zu Erzählungen, gerinnt mit den Farben zur Form, Figur, Abstraktion, wird zum Bild, zwangsläufig zur Darstellung oder auch Fabel, die nie dem Fluch entkommt, sich von ihr ein Bild, zumindest annähernd Sinn zu machen, auch wenn das Gezeigte, Geschriebene noch so wenig nach Interpretation und Verständnis heischt. Wer oder was entkommt schon der Flucht in die Bedeutung!
Durch die Konditionierung von Kindesbeinen an, geradezu eine Sucht, Sämtliches als Signifikanten zu sehen, zu verstehen, wird in Nasen gebohrt, gezerrt und gezogen. Dazu der Wunsch, gemäß der Intention des Urhebers das Ganze richtig zu entschlüsseln. „Wie darf, soll ich den Text, das Bild bitte verstehen?“ Wir sagen’s euch deutlich: als Fucksimile.
Ein Mythos, der in der Alltags- wie auch Kunstwelt (falls jemand die Unterscheidung ernst nimmt) immer noch herumspukt, ist jener, dass ein Selbstausdruck gerade auch dann vielsagend, berührend etc., somit gelungen sei, wenn das möglichst Persönlichste möglichst ungefiltert, unbewusst, unvergoren, quasi sein loses Selbst im somnambulen Augenblick, aufs Papier gebracht, die Leinwand geklatscht wird. So verstanden möchte man die in Dosen verewigte Merda d’artista geradezu als Offenbarung preisen. Was aber ist mit der Kunst, sich dem eigentlich größten, dem Gedächtnismist, der längst faulenden Erinnerung in Gestalt vermaledeiter Relikte, den vermeintlichen Originalen, verstaubter Aufzeichnungen und abgestandener Bilder zu stellen? Alles nur Nachbildung: Fucksimile
Und zwar von vornherein. Denn wie erwähnt, verdaut Erinnerung gerade noch gerade noch Präsentes im Nu zu einem süßen Brei, der, wenn mitunter auch sauer aufstoßend, wieder und wieder, zart nachgesalzen, aufgekocht wird. Wenn unsere Psyche schon nicht umhinkommt, das ganze Gemenge an Wahrnehmung, Emotionen, Kognitionen, an Getanem und Vertanem bis hin zur Erträglichkeit zu filtern, sei angeraten, sich mit dem stets faksimilierten Leben, seinen simulierten Originalen, von Zeit zu Zeit zu foltern.
Und zwar bis hin zur Unerträglichkeit. Schicht um Schicht eine abtragende Annäherung ans Gewesene durch ein Augenmerk auf das anhaltende, das stets präsente Verwesen des Vergangenen, nicht Vergebenen, und damit zugleich ein geschärfter Blick für die zugleich bereits verwesende Präsenz. Deutlicher tritt dadurch hinter vordergründig Persönlichem von Geschichten, Bildern und Objekten ihr Charakter als Stilisierung und Mythisierung zutage. Oder hinter tagespolitischem Geschwätz historisch Verdrängtes.
Vernehmbarer im Bild-Text-Verhör werden die Lebenslügen. Für Momente erkennbar die blinden Flecken durch das ständige sich Ausrichten nach Sinn und Stringenz mittels Reflexion. Jegliche Kohärenz bleibt jedoch prekär, bloß (Selbst-)Verständnis eben. Jeder Spiegel wird blind. Das Originäre bleibt verborgen, verwaist, von Beginn an verwest.
Was dann aus den Re – ink – papers – wie Tapetenplakaten oder Testamentsentwurf – spricht? Das Originelle von Kopien, für die nie ein Original vorlag, bloß Ideen davon. Als Wunsch, als köstliches Wiederkauenverdauen längst gegessener Sachen, verfickter Zeit. Echte Fucksimiles!