24.11.2016 Vernissage Peter Laminger

Über Peter Laminger

 

Ein Text über den Künstler von Hanno Millesi, November 2016 - vorgetragen bei der Vernissage der Ausstellung

 

Es gibt Menschen, zu deren Charakteristika es zählt, eine Weltanschauung derart überzeugend zu verkörpern, dass, was sie schaffen, und wie sie sich angesichts ihres Schaffens verhalten, in Anbetracht der Souveränität dieser Verkörperung unweigerlich in den Hintergrund tritt. Mit diesem Satz beginnt ein Text, den ich 2008 anlässlich einer Publikation zur Arbeit meines Cousins Peter Laminger geschrieben habe. Eigentlich hatte ich vorgehabt, diesen Text heute Abend vorzulesen, wie ich das schon einmal, bei einer ähnlichen Gelegenheit vor ein paar Jahren gemacht habe. Ich habe mich jedoch dazu entschieden, das auf einige Passagen zu beschränken und diesen Passagen einen Gedanken voranzustellen, der mich, wenn wir von künstlerischer Arbeit sprechen, mit Peter Laminger Zeit seines Lebens verbunden hat und nach wie vor verbindet.

Peter Laminger gehört zu den Menschen, die mich darin bestärkt haben, mich mit Kunst auseinanderzusetzen, um genau zu sein, mich nicht nur damit auseinanderzusetzen, sondern die Auseinandersetzung mit Kunst ins Zentrum meines Lebens meines Lebens zu rücken.

Das hatte – und das trifft auch noch auf ein paar andere Menschen zu, deren Beispiel mich darin bestärkt hat – nicht unbedingt mit bestimmten Arbeiten, also künstlerischen Werken zu tun, sondern, ganz allgemein, mit einer Einstellung dem Leben gegenüber, einem Umgang mit der Welt, der Absurdität einer Fülle ihrer Phänomene. Künstler, künstlerisch ausgerichtete Menschen verstanden es, mich mit einer immer wieder neu erfundenen und doch in ihren Grundzügen gleich bleibenden Herangehensweise an die Welt zu beeindrucken. Sie erfanden sich nicht neu, um mit der bisherigen Version ihrer selbst so wenig wie möglich zu tun zu haben, vielmehr konnten sie es sich leisten, sich gelegentlich neu zu erfinden, weil sie – wie mir schien – irgendeine dem Leben immanente Formel verstanden, mehr noch, verinnerlicht hatten. Es war ihnen möglich, sich neu zu erfinden, weil ihre Achtung vor sich selbst ebenso die gleiche blieb, wie ihre mangelnde Bescheidenheit, wie ihre zunehmende Weisheit sich weigerte, auf ihre angeborene Naivität zu verzichten. Sie liefen deutlich weniger Gefahr, sich in fadenscheinigen Ideologien, Vertrauen erweckender Bürokratie oder falsch verstandener Etikette zu verirren. Stattdessen ermöglichte ihnen ein fortwährend intaktes Verhältnis zu sich selbst, Fehlern gegenüber aufgeschlossen zu sein, Stärken gegen sich selbst zu verwenden, Schwächen als Bestandteil eines Charakters zu verstehen, das eigene Sein jenseits zählbarer Werte zu begreifen.

Ganz im Sinne einer solchen Charakteristik fällt mir, wenn ich an Peter Laminger denke, zu allererst nicht unbedingt eines seiner Gemälde, eine Graphik oder ein Objekt ein, sondern das zentrale Werk seines künstlerischen Schaffens: seine Person.

Die Komposition des Lebens als Inszenierung eines ganz persönlichen Entwurfs, dem entsprechend das Private nicht dem Offiziellen und das Eigene nicht dem Gesellschaftlichen untergeordnet wird. Sowohl Beschäftigung als auch Wunsch, Wille und Notwendigkeiten, abseitige Vorstellungen und ihre realen Voraussetzungen – mit einem Wort: die Tätigkeit und wovon sie gespeist wird – werden unaufhörlich miteinander in Beziehung gesetzt, befruchten sich solange, bis sie aufeinander übergangen sind. Erfolg, Scheitern, Glück und Tragödie lassen sich dann ebenso wenig trennen. Das eine geschieht nicht aufgrund des anderen, sondern alles ist Folgeerscheinung, Parallelereignis, gebiert seinen eigenen Sinn.

Konsequenterweise kommen, einer solchen Einstellung gemäß, alle so genannten professionellen Aspekte zu kurz. Und ebenso konsequenterweise kriecht die Kreativität stattdessen in jeden nur erdenklichen Bereich; in jeden vorstellbaren und vor allem in alle ersichtlichen.

Die Komposition des Lebens Peter Lamingers versammelte all die widersprüchlichen Bestandteile, die in ein künstlerisches Werk mit epischen Ansprüchen gehören. Reich an Abwechslung bis hin zur Monotonie, in zurückgezogener Entäußerung, weitab vom Schuss im Fadenkreuz des Geschehens. Voller Sympathie für alles, dem gegenüber die größte Abneigung empfunden wird, ein aristokratischer Zug trotz der Huldigung klassenloser Ideale, der Versuch, als Randfigur im Mittelpunkt zu stehen, modern zu sein mit altertümlichen Mitteln, mit Ablenkungsmanövern auf sich aufmerksam zu machen; hinter dem Ebenbild seiner selbst in Deckung zu gehen. Einer von vielen und gleichzeitig die ganze Welt sein, Bilder, Skulpturen, Schriften, so genannte Kunstwerke produzieren, um derjenige zu sein, von dem sie stammen. Fragen stellen, um nicht in die Verlegenheit zu geraten, bei der korrekten Formulierung von Antworten hängen zu bleiben.

Eine Biographie, die sich wie gelebt liest, die von der Imagination des Lesers nachvollzogen werden kann und in diesen Momenten tatsächlich mit Leben erfüllt wird.

Peter Laminger hat dazu beigetragen, mich für künstlerische Standpunkte zu interessieren oder zumindest empfänglich zu machen.

Und das, obwohl er sich zumeist im Aufbruch befunden hat, auf der Durchreise war, nur kurz da, aus einer abenteuerlichen Intensität kommend, auf dem Weg in eine viel versprechende Ungewissheit. Ob nun körperlich im Sinn wechselnder Wohnsitze oder, später, geistiger Abenteuer. Fasziniert nickte ich zustimmend, ob dieses schillernden Abwechslungsreichtums; zuweilen schüttelte ich auch den Kopf. Dabei beanspruchten weniger die einzelnen Begebenheiten Aufmerksamkeit, diese oder jene Authentizität, sondern die Inbrunst, mit der erzählt, die Begeisterung, mit der mitunter so gar nie Da-Gewesenes rückbezüglich zu einer Form von bereits vergangenem Leben erweckt wurde.

So facettenreich und im Laufe der Jahre von verschiedenen Entwicklungsphasen geprägt, sich Peter Lamingers Arbeit darstellt, so geradlinig und konsequent präsentierte sich seine weltanschauliche Position als die des Künstlers; eines sich kreativ, gestalterisch äußernden Geistes, der den sarkastischen Unterton ebenso anstimmte wie die allgegenwärtige Hoffnung auf unerwartete Erlösung.

Stärker als seine Kunstwerke mit ihrer Hintergründigkeit, ihrer Illusionskraft und vor allem ihrer darstellerischen Virtuosität hat mich Pater Lamingers Denk- und Lebensweise beeindruckt. Denn es war eine durch und durch künstlerische Annäherungsform an die Welt und ihre Bewohner.

Falls nicht, hat das wahrscheinlich auch nicht viel zu bedeuten, denn sofern ich etwas von Peter Laminger gelernt habe, dann stolz auf meine Irrtümer zu sein.

Hanno Millesi, November 2016

susanne